Auf der Weiterfahrt in die Toskana, fuhren wir immer an der Küste entlang und passierten dabei etliche Brücken und Tunnel, auf dem Weg durch das bergische Ligurien. Wir hatten noch überlegt in Ligurien an der ein oder anderen Stelle zu halten. Leider stellte sich dies als schwerer heraus als gedacht, denn mit dem Hänger waren wir für die meisten Parkplätze am Meer einfach zu groß und wollten auch die steilen kleinen Straßen nicht unbedingt fahren, die man zwangsweise nehmen musste, wenn man ans Meer hinunter wollte. In die Toskana war es uns jedoch für einen Tag noch zu weit und so fanden wir einen hübschen Waldstellplatz vor einer Kirche im Dorf Carrodano Inferiore. Es war einer der wenigen Park4Night Plätze, der nicht erforderte einen Berg hinauf zu fahren oder direkt an der lauten Autobahn zu stehen.
Wir konnten von dem ruhigen Platz im Wald aus, in den danebenliegenden Ort laufen und erlebten dort eine authentische italienische Erfahrung. Inmitten des kleinen Ortes, in dem keine Autos fahren konnten und deshalb nur Piaggio Ape's und Roller herumstanden, befand sich ein netter kleiner Dorfplatz. An diesem lag auch die einzige sichtbare Ferienunterkunft des Ortes. Es gab weder Restaurants noch Kaffees und bis auf einen älteren Mann und eine Frau, die vor einem Haus des Platzes standen und sich lautstark unterhielten, war keine Menschenseele hier. Die beiden mimten für uns die perfekten Italiener, die temperamentvoll streiten, diskutieren oder auch einfach nur plaudern konnten. Man hörte es einfach nicht heraus.
Nach einer ruhigen Nacht, in der wir nur das Rauschen des Flusses nebenan hörten, wurden wir am nächsten Morgen von Bauarbeitern geweckt, die an der Kirche zu arbeiten schienen. Sie nickten uns nur nett zu und taten dann ihre Arbeit.
Nach einem guten Bullifrühstück und einem weiteren Spaziergang durch den Ort, fuhren wir weiter. Heute wollten wir die nördliche Toskana erreichen und hatten uns dort auch schon ein erstes Ziel ausgesucht - den See Lago di Vaglo, der inmitten dem Gebirge Alpi Apuane liegt und in dem ein versunkenes Dorf verborgen sein soll. Etwas unsicher waren wir uns erst, ob wir den Ort wirklich anfahren sollten, denn der Weg dorthin führte über steile, kurvige Straßen durchs Gebirge, die stellenweise nicht allzu breit sein sollten und laut Google Maps über starke Steigungen verfügten. Es war gut, dass wir die Fahrt noch bei Tageslicht antraten. Im Vergleich zu einigen Straßen die wir in England und Schottland bereits gefahren waren (z.B. auf der Isle of Skye), waren diese hier total breit. An der steilsten Stelle kamen wir im ersten Gang problemlos nach oben und mussten zum Glück nicht bremsen. Wäre das jedoch passiert, wäre es schwer geworden nochmal am Berg anzufahren. Endlich am See angekommen, fanden wir einen großen Parkplatz mit tollem Seeblick. Kein anderes Auto parkte aktuell dort und so hatten wir freie Platzwahl. Am nächsten Morgen konnten wir sogar bei sonnigen 20 Grad draußen frühstücken. Mit dem Tisch hinter dem Hänger versteckt, konnte man uns von der Straße aus nicht sehen und vermutlich interessierte es hier auch keinen.
Danach erkundeten wir erstmal die Umgebung. Dazu fanden wir eine Rundwanderung, die um einen Teil des Sees herumführt, sowie durch den kleinen Ort Vagli Sotto hindurch. Zu Beginn des Weges standen ein paar hübsche Holzfiguren von Tieren am Wegesrand. Der Wanderpfad führte durch ein altes Tor, das inzwischen für jedermann geöffnet war. Es gehörte zum Vagli Park, wie wir später herausfanden. Normalerweise bezahlte man Eintritt, um in den Park zu gelangen. Entweder war der Park außerhalb der Saison geschlossen und deshalb aktuell frei zugänglich oder er musste als Folge der Coronazeit schließen. Uns fiel direkt auf, dass alles etwas verwahrlost und verlassen aussah, so auch die alten und zum Teil kaputten Schaukeln und Reittiere für Kinder, die direkt hinter dem Eingang standen. Man konnte von hier aus schon Vagli Sotto sehen, ein kleiner Ort, der oben auf einem Hügel, scheinbar inmitten des Sees thronte. Es handelte sich aber nicht um eine Insel, denn es gab neben den zwei Fußgängerbrücken, über die man das Dorf erreichen konnte, noch eine Zufahrtsstraße auf einer Seite, die man von hier aus nicht sah. Das versunkene Dorf sah man von hier aus leider nicht, denn es lag am nördlichen Ende des Sees, zu dem der Wanderpfad leider nicht hin führte. Etwas weiter den See entlang befand sich ein kleiner Kletterpark, der mit Holzbrettern gegen Nutzung abgesperrt worden war. Direkt daneben war eine original tibetische Hängebrücke gebaut worden, über die man nur mit Klettergurt und Sicherung direkt über den See gehen konnte. Wieso erklärt sich von selbst.
Die tibetanische Brücke musste man nicht gehen um weiterzukommen, denn es führte auch ein Weg außenherum zur anderen Seite. Tatsächlich kam gerade ein junger Mann todesmutig (oder einfach nur ziemlich lebensmüde) über die Brücke auf unserer Seite an. Er schien tatsächlich ohne Sicherung darüber gegangen zu sein. Wir erreichten einen zweiten Kletterpark, der ebenfalls mit Brettern gesichert war, sowie ein paar interessante Steinfiguren. Es schien sich um Kriegsdenkmäler zu handeln, zumindest leiteten wir das aus den Beschriftungen ab. Natürlich ließen wir es uns nicht nehmen auch an das andere Ende der tollen Brücke zu gehen und dort ein paar tolle Fotos zu schießen.
Um weiterzukommen mussten wir doch noch eine Brücke überqueren, allerdings eine etwas unspektakulärere. Die lange Hängebrücke namens Ponte Sospeso war mit hohen Geländern versehen und hatte zudem einen normalen Bretterboden. An einer Stelle war ein Glasboden eingebaut worden, der aber so verschmutzt war, dass man ohne allzu große Angst darüber gehen konnte. Von der Brücke aus hatte man einen tollen Blick über den See und auf Vagli Sotto. Uns fiel dabei ein Stahlseil auf, das von einem hohen Berg über den Ort und den ganzen See nach unten führte. Später fanden wir heraus, dass es sich dabei um eine Zipline handelte, die man auch im Vagli Park buchen konnte.
Jedoch auch diese schien aktuell stillgelegt zu sein. Auch Benji schaffte es mit uns über die Brücke zu gehen. Das leichte Schwanken irritierte ihn zwar, jedoch ging er mutig Christoph hinterher. Auf der anderen Seite der Brücke wurde der Kleine direkt wieder mit Eidechsen am Fels für seinen Mut belohnt, die er sofort zu jagen begann. Es folgte ein kurzes Stück Kastanienwald und eine weitere Brücke, dieses Mal aus Stein und ohne Schwankungen. Kurz darauf passierten wir den Dorfeingang. Ein großer Dorfparkplatz befand sich direkt davor und das war auch der Einzige, denn auch hier waren die Straßen alle sehr eng und Parkplätze gab es so gut wie keine. Nur einige Anwohner hatten ihre Kleinwagen an den unmöglichsten Stellen vor ihren Häusern abgestellt. Wir durchquerten den interessanten kleinen Ort und kamen dabei an der Kirche und der einzigen Bar / Pizzeria des Ortes vorbei. Einige wenige Menschen saßen dort und nur vier weitere trafen wir beim Spaziergang durch den Ort an. Das waren immerhin ein paar mehr als in Carrodano Inferiore gewesen. Die teilweise offenen Haustüren vor denen Vorhänge hingen, erinnerten uns wieder an die spanischen kleinen Dörfchen. Dort war es genauso gewesen. Vermutlich konnte man nur so die Hitze des Sommers in den Häusern aushalten. Nur 300 bis 500 Einwohner soll Vagli Sotto den Schätzungen nach haben. Die genaue Einwohnerzahl ist nur für die gesamte Gemeinde Vagli di Sotto bekannt und beträgt rund 1000 Einwohner. Über die wenig befahrene Zufahrtsstraße führte der restliche Rundweg zurück zum Bulli. Nach fünf Kilometern und rund 70 Höhenmetern waren wir zurück. Anbei findet ihr den Link zur Komoot Tour --> Link.
Wir hatten Nachbarn bekommen. Zwei Camper hatten sich neben uns gestellt. Es handelte sich scheinbar um zwei italienische Familien, die zwischen ihren Campern eine Bierbank, ein paar Stühle sowie einen Grill aufgestellt hatten. Sie hatten ebenfalls einen Hund mit dabei und als wir mit unseren Stühlen in der Sonne vor unserem Bulli saßen und einen Drink mit italienischen Tapas genossen, kam dieser mehrfach zu uns rüber. Benji schnüffelte die Hundedame neugierig an und schien sich sehr für sie zu interessieren. Dem Mädchen wurde es irgendwann zu viel und sie verschwand wieder. Da sie freisprang und Benji angeleint war, konnte unser Kleiner nichts anderes tun als das zu akzeptieren und traurig vor sich her zu fiepen. Das Spiel wiederholte sich noch ein paar Mal, ganz zu unserer Erheiterung. Als die Sonne gegen 16 Uhr hinter den Bäumen verschwand, wurde es direkt furchtbar kalt. Man merkte doch, dass wir höher in den Bergen waren und das es auch in Italien Herbst war. Als wir von unserer Abendgassirunde zurück kamen, waren es bereits drei italienische Camper, die neben uns standen und alle drei Familien saßen inzwischen zusammen an der Bierbank und grillten sich ihr Abendessen. Kaum sahen sie uns vorbeilaufen winkten sie uns heran und boten uns direkt ein Glas Wein und ein Stück Weißbrot mit Salami an. Nur wenige Familienmitglieder konnten Englisch und so wurde es eine lustige Unterhaltung mit Händen, Füßen und Übersetzungs App. Wir bekamen dabei im Laufe des Abends sämtliche Speisen und Getränke von den Familien, die aus Siena in der Toskana kamen, angeboten und kamen mit dem Essen gar nicht hinterher. Einer der Italiener sagte daraufhin nur "Das ist typisch italienisch, wir sind immer nur am Essen". Es gab Salsiccia vom Grill zusammen mit Weißbrot, heiße Maroni aus der Pfanne, Grappa Invecchiata (einen dunklen Grappa), einen selbstgebrannten Vin Santo (ein süßer Dessertwein), Pane dei Santi (Brot der Heiligen - ein Rosinenbrot mit Nüssen, eine typische Speise, die man zu Maroni isst) und einen Occhio di Bue (einen Mürbeteigkeks mit Marmelade in der Mitte, der an unsere Terrassenplätzchen zu Weihnachten erinnert). Das meiste war typisch toskanisch und alles war sehr lecker. Alle aßen von Papptellern und ohne Besteck. Es war total einfach und dennoch lecker. Später saßen wir mit ihnen zusammen am Lagerfeuer, das sie zwischen den Campern entfachten. Wir bekamen dabei allerhand Tipps zu sehenswerten Reisezielen in der Toskana, die wir uns natürlich fleißig notierten. Benji stand die ganze Zeit schüchtern neben uns, denn er war solch einen Trubel offensichtlich nicht gewohnt. Das Hundemädchen hieß Tikka und war erst zwei Jahre alt. Jetzt da Benji in ihrem Reich saß, schien sie ihn nicht mehr so ohne weiteres zu akzeptieren. Ihr Herrchen musste sie ein paar mal zurechtweisen, da sie Benji verscheuchen wollte. Nach einem Espresso zum Abschluss verabschiedeten wir uns und gingen total überrascht von der Offenheit und Freundlichkeit der Italiener zurück zum Bulli. So erlebten wir einen authentischen italienischen Abend und lernten die italienische Lebensart kennen. Wir waren sehr froh darüber, uns über die Bergstraße an den Lago di Vagli getraut zu haben.
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