Mitten im Touriwahn in Lissabon - Teil 1

Veröffentlicht am 27. April 2024 um 01:15

Unser Lissabon Trip stand kurz bevor. Da es an Wahnsinn grenzen würde mit Bulli und Hänger in die Stadt zu fahren, stellten wir uns etwas außerhalb, einem Tipp folgend, auf einen offiziellen kleinen Stellplatz des Ortes Corroios, unweit von Lissabon entfernt. Wir wollten mit dem Bus von dort aus in die Stadt fahren. Leider fiel unser geplanter Lissabon Besuch genau auf das Osterwochenende. Wir vermuteten allerdings, dass dies nicht viel an den Menschenmassen ändern würde, da diese wahrscheinlich ganzjährig dort zu finden waren. 


Am Karfreitag quälten wir uns deshalb früh aus dem Bett, um zeitnah mit dem Bus hineinzufahren. In nur fünf Gehminuten waren wir an der Bushaltestelle und zahlten nur 2,60 € pro Person für die Fahrt in die Stadtmitte von Lissabon. Bereits auf dem Weg zur Brücke namens Ponte 25 de Abril (früher Salazar-Brücke, die nach der demokratischen Unabhängigkeit Portugals am 25.04.1974 umbenannt wurde), konnten wir schon die Christo Rei Statue in 113 m Höhe über die Stadt wachen sehen. Am Tag war die Statue leider nur grau. Bei Nacht wurde sie farbig angestrahlt, was sie etwas hübscher wirken lies. Die Brücke wurde übrigens von der selben Baufirma gebaut, die auch die Golden Gate Bridge in San Francisco erschuf. Deshalb besteht eine gewisse Ähnlichkeit der beiden mächtigen Bauwerke. Des Weiteren konnte man von der Brücke aus schon erste Wahrzeichen der Stadt sehen, so z.B. den Torre de Belém, den Hafen, das Underground Village, sowie das Castelo de S. Jorge. Nach 50 Minuten und 24 Haltestellen kamen wir am recht zentral gelegenen Campo de Ourique an. 

Unser erstes Ziel war die Tram 28, eine gelbe Straßenbahn aus dem Jahr 1930, die auf ihrer Linie für wenig Geld die meisten Sehenswürdigkeiten der Stadt anfährt. Da das Lesen von Google Maps manchmal gar nicht so einfach ist, landeten wir erstmal am Kaffee Tram 28. Da dieses aber nicht an der Endstation der Straßenbahn liegt, sondern ein paar Ecken weiter, war dieser Weg leider umsonst. Kurz neu geortet fanden wir dann unsere Bahnstation. Die Schlange am Einstieg hielt sich sogar noch in Grenzen, da es erst 11:00 Uhr war. Wir hatten gelesen, dass die beliebteste Bahnlinie Lissabons manchmal ellenlange Warteschlangen hervorrief. Außerhalb der Endstationen war es meist unmöglich einen Sitzplatz zu bekommen. Da die Trams in sehr kurzer Taktung fuhren, konnten wir nach nur wenigen Minuten Wartezeit in der dritten Bahn die ankam mit einsteigen und ergatterten sogar direkt einen Sitzplatz. Innen war alles mit Holz verkleidet und große Fenster, die man hochschieben konnte, boten einen guten Blick auf den Trubel außerhalb der Bahn. Der Fahrer schloss die Türen sogar noch per Hand. Nur 3,10 € pro Person haben wir für die geplante 50 minütige Fahrt durch die Altstadt bezahlt. Ein Schnäppchen dafür, wenn man bedenkt, dass der viel teurere Sightseeing Bus fast die selbe Route fährt.

Zwei Stationen später quetschten sich immer mehr Menschen zwischen die Sitzplätze und hielten sich bei jeder Kurve krampfhaft an den Bändern, die von der Decke herabhingen, fest. Die Touristen, an denen wir vorbeifuhren, fotografierten fast alle ausnahmslos unsere Tram. Wir kamen uns etwas vor wie im Zoo. Umso näher wir der Altstadt kamen, desto enger und steiler wurden die Gässchen. Die Menschen mussten sich zum Teil neben der Bahn an die Wand drücken, um nicht überfahren zu werden. Der Bahnfahrer bimmelte immer mehrmals bei Hindernissen oder vor jeder Kurve, damit die Menschen rechtzeitig von der Bahnlinie herunter gehen konnten. Das war kein leichtes Unterfangen bei dem immer dichter werdendem Tourischwarm hier. Die Bahn kletterte mühelos steile Straßen nach oben und wie wir erfuhren, war diese Straßenbahn eine derjenigen, die auch aus eigener Kraft die steilsten Anstiege schaffte. Die steilste Tramstrecke befindet sich mit einer Steigung von 13,5 % sogar in Lissabon.
Der Verkehr wurde stockender und auf einmal standen wir im Stau. Es ging nur stückchenweise weiter und das auch noch am Berg. Immer wenn die Bahn anfuhr und dann abrupt wieder bremste, quietschten die Bremsen laut und die Passagiere mussten sich festhalten, um nicht nach vorne zu fallen. Inzwischen fuhren auch immer wieder Tuk Tuk's an uns vorbei. Ein Tuk Tuk ist im Prinzip ein Mopedtaxi für zwei Personen. Früher waren diese noch normale Benziner, heutzutage gibt es hier fast nur noch Elektro Tuk Tuks, bis auf einige Ausnahmen. Die Gefährte waren in den bunteste Farben und Mustern bemalt worden und scheinbar ein beliebtes Transportmittel in Lissabon. Zusätzlich sahen wir noch kleine Elektroautos im Oldtimerstyle, die ebenfalls als Personentaxis fungierten. 

Dann erreichten wir den Kern der Altstadt, das Viertel namens Alfoma und das Chaos war perfekt. Rund um den Aussichtpunkt Miradouro das Portas do Sol, von dem aus man einen tollen Meerblick hat und um die Statue de Sao Vicente herum, tummelten sich Fußgänger, Tuk Tuk's, Fahrradfahrer, Skater und Trams und alle bimmelten und hupten laut durcheinander. Auch unsereTram bahnte sich langsam bimmelnd ihren Weg durch die Menschenmassen, vorbei an süßen Straßenkaffees, sowie an Verkaufsständen, an denen ein Cocktail in einer ganzen Ananas verkauft wurde, weiter die Altstadt nach oben. Die Endstation befand sich wieder außerhalb der Altstadt am Praca Martim Moniz, etwas unterhalb des Castelo de S. Jorge. Das Schloss sollte eines der Highlights von Lissabon sein - was riesige Schlangen beim Einlass bedeutete. Wir ersparten uns das und liefen lieber die Sehenswürdigkeiten, für die wir keinen Eintritt hinlegen mussten, zu Fuß ab. Die Fahrt hatte ganze 70 Minuten gedauert - deutlich länger als geplant. Dafür hatten wir allerdings schon einen großen Teil der Innenstadt Lissabons gesehen.

Zunächst beschlossen wir den neueren Teil der Stadt anzuschauen und die Altstadt gegen Ende nochmal anzulaufen. Wir erreichten zuerst den Campo Rossi, ein großer Platz mit tollen wellenartigen Mustern am Boden, großen Springbrunnen und Steinfiguren. Früher wurden hier Stierkämpfe und Aufführungen dargeboten. Heute ist der Platz ein Tourispot und dementsprechend überfüllt. Weiter liefen wir zum Santa Justa Lift - ein großer Fahrstuhl der zwei Stadtteile miteinander verbindet. Über eine Brücke, kann man nachdem man hochgefahren ist, den acht Meter höheren Stadtteil erreichen. Aufgrund der extremen Höhenunterschiede der Stadt nutzen einige Einheimische das Gefährt sogar als Transportmittel, da der Weg außenherum doch zeitaufwendiger und anstrengender ist. Hauptsächlich fahren damit aber Touris nach oben, um einen tollen Blick auf Lissabon zu erhalten. 
Über die Promenadenstraße R. Augusta steuerten wir als nächstes auf den Campo de Comercial zu. Durch das Stadttor, den Arco de Rua Augusta, konnten wir den Platz bereits von Weitem sehen. Die Gegend hier erschien total nobel und einige teure Geschäfte bestätigten das, zu beiden Seiten der Nobelstraße. Der Campo de Comercial wirkte sehr groß, hell, offen und einladend. Man hatte einen fantastischen Blick auf den Arco und auf der anderen Seite auf das Meer. Ein Brunnen stand in der Mitte und war das Highlight des Platzes, der heute umgeben von Restaurants, Kaffees und Hotels ist. Früher handelte es sich um den Marktplatz, auf dem Seefahrer Finanziers für ihre nächste Reise suchten und auf dem ordentlich Handel betrieben wurde. Kaum waren wir mit fotografieren fertig und wollten weitergehen, sprach uns ein junger Mann an. Offensichtlich wollte er uns Drogen verkaufen. Christoph scherzte mit ihm und zog ein Traubenzucker aus der Tasche. Er tat so, als wenn er selbst Drogen verkaufen würde, was den Mann zum Lachen brachte. Scheinbar nahm er es mit Humor, dass er veräppelt wurde. Mit einem Daumen hoch ließ er uns ziehen. Zufällig stolperten wir als nächstes in ein Biermuseum - eigentlich hatten wir nur eine Toilette gesucht. Eine Wand voller Biergläser verriet uns worum es hier ging. Direkt am Eingang sahen wir eine Theke, in der scheinbar goldene gebackene Kartoffeln lagen. Es wurde wild dafür geworben. Was es damit auf sich hatte wussten wir noch nicht. Nur, dass noch in mehreren Lokalitäten in Lissabon diese Kartoffel verkauft wurde. Vielleicht konnten wir das Rätsel irgendwann auflösen.

Wir liefen ein Stück an der Uferpromenade entlang, an der man ziemlich entspannt gehen konnte. Der Touristrom konzentrierte sich eher auf die Sehenswürdigkeiten und war dort entsprechend dichter. Nach ein paar 100 Metern mussten wir aber wieder in die engen, steilen Gassen einbiegen, um zur Kathedrale von Lissabon zu kommen. Diese wirkte ziemlich heruntergekommen und auch die Gassen drumherum waren sehr schmutzig. Ein verwahrloster Mann saß mitten in einer dieser Gassen und faselte wirr vor sich her.  Wir hatten uns das sakrale Gebäude irgendwie imposanter vorgestellt. Trotzdem waren hier wieder deutlich mehr Touris unterwegs. Wieso dann die öffentlichen Toiletten direkt davor nicht geöffnet hatten, erschloss sich uns nicht wirklich. Weiter ging es durch die engen Gässchen, durch die wir zuvor mit der Tram gefahren waren. Jetzt mussten wir uns selbst an die Wände quetschen, wenn eine hinter uns bimmelte. Wir erreichten den belebten Platz mit dem tollen Aussichtspunkt, über den wir zuvor ebenfalls gefahren waren. Zu Fuß bekam man hier nochmal ganz andere Eindrücke als mit der Tram. Es war Regen angesagt - bislang hatten wir Glück gehabt und die Sonne schien. Als wir jetzt die Aussicht genossen, wurde es immer bewölkter um uns herum. Kurz darauf fing es an zu regnen. Wir stellten uns unter die Schirme einer Bar am Platz und ließen den Regen vorüberziehen. 

Bei unseren Recherchen vorab, waren wir auf ein tolles Kaffee gestoßen, das Caffe A Brasileira, das älteste Kaffee von Lissabon. Dort wird noch selbst geröstet und der Kaffee soll exquisit sein. Die Pasteis de Nata, die typisch portugiesische Kaffeebeilage aus Blätterteig und einer Art Vanillecreme, seien auch empfehlenswert. Als wir dort ankamen wurde unsere Freude allerdings schnell gedämpft - wieder einmal trafen wir auf eine lange Warteschlange vor dem prunkvollen, goldverzierten Eingang des Luxuskaffees. Wir erfuhren, dass man für einen Sitzplatz anstehen musste und wenn man nur etwas zum Mitnehmen kaufen wollte, an der Schlange vorbei gehen konnte. Da wir den guten Kaffee aber nicht aus Pappbechern trinken wollten, so viel Stil muss ja sein, entschieden wir uns ein anderes Kaffee zu suchen. Um die Ecke, etwas abseits des Trubels, fanden wir unser Kaffee - das Chiado Caffe. Unscheinbar, klein und doch gemütlich. Wir setzten uns hinein und genossen einen ebenfalls guten Espresso aus der Siebträgermaschine, tolle Pasteis de Nata, sowie weitere portugiesische Süßwaren, die uns der nette Verkäufer empfiehl. Mit Sicherheit war es hier genauso gut und deutlich günstiger als im Luxuskaffee A Brasileira. Bevor wir gingen, probierten wir noch zwei Gläser vom Ginja Likör, der ebenfalls überall in den kleinen Gassen der Altstadt von älteren Damen verkauft wurde und günstig in dem Kaffee angeboten wurde. Der süße Kirschlikör schmeckte sehr sanft und verführte einen mehr zu trinken. Wir haben das Kaffee auf seinem Namen oben für euch verlinkt, da wir es jedem empfehlen würden, der einen Lissabon Trip plant.

Unser Timing war leider schlecht - kaum hatten wir das Kaffee verlassen, fing es an zu schütten. Wir flüchteten uns zum Time out Market in der Nähe des Hafens. Dabei handelt es sich um eine große Halle, in der rundherum sämtliche portugiesische, aber auch internationale Spezialitäten verkauft werden. Alles in Allem war die Auswahl sehr meerestierlastig. In der Mitte sitzen die Gäste und speisen. Das ganze hatte irgendwie Eventflair - wie zum Beispiel beim Besuch einer Messe. An den meisten Ständen waren Schauteller mit den Gerichten aufgestellt, damit man nicht die Katze im Sack kaufte. Allerdings waren die Gerichte sehr überschaulich und dafür ziemlich teuer. So warteten wir nur bis der Regen aufhörte.

Der Regen ließ nach und wir gingen drei Kilometer am Hafen entlang. Unser Ziel war die Lx Factory, nähe der Brücke Ponte 25 abril. Es handelt sich dabei um ein Künstlerviertel, das in leeren Fabrikhallen entstanden ist. Wir schlenderten durch die Geschäfte, die mehr Souvenirs anstelle von eigener Kunst verkauften. Dafür waren überall an den Wänden, egal ob innen oder außen, künstlerische Elemente zu finden - Graffitis, Kunstskulpturen, tolle Sprüche, Wandbilder etc. Auch einige Restaurants waren vertreten. Am meisten beeindruckte uns eine Bücherei, die ebenfalls voller Kunst war. Im unteren Stock wurden Bücher und oben Schallplatten verkauft. Alte Druckerpressen zierten das obere Stockwerk und viele Kunstwerke hangen überall von der Decke herunter. 

Direkt um die Ecke von der Lx Factory befand sich ein weiteres Kunstprojekt - das Underground Village. Bei diesem Kunstwerk wurden alte Busse und Frachtcontainer aufeinandergestapelt, bunt bemalt und mit einem Garten davor versehen. Drinnen befand sich ein Restaurant. Wir fanden die Idee total charmant und beschlossen dort zu essen. Als wir eintraten und gebeten wurden oben im Bus platz zunehmen, wunderten wir uns doch, dass es keine anderen Gäste außer uns gab. Der Bus war zudem sehr lieblos hergerichtet. Die alten Sitze waren zwar noch erhalten, aber es gab keinerlei Dekoration. Es wirkte irgendwie kalt. Auch das bunt bemalte Äußere des Kunstwerks, hatte einen neuen Anstrich nötig. Die Farbe schien zum Teil schon etwas verblasst zu sein. Die Speisekarte war leider auch sehr überschaubar und wir beschlossen doch nur einen Drink zu nehmen und woanders zu essen. 

Wir fanden schließlich in der Lx Factory ein Restaurant das uns zusagte und verbrachten den Abend in dem Viertel, in dem später auch Livemusik in der ein oder anderen Bar gespielt wurde. 

Die Rückfahrt mit dem Bus verlief problemlos, auch wenn wir kurzzeitig nicht sicher waren. ob wir an der richtigen Haltestelle standen, da die Beschilderung der Busnummer schlichtweg fehlte. Jetzt sahen wir auch den lila beleuchteten Christo Rey auf dem Berg. Erschöpft fielen wir kurz nach Mitternacht in unser Bulli Bett, schön ruhig, außerhalb von dem ganzen Trubel in Lissabon.


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Kommentare

Papa
Vor 7 Monate

Wie immer ein toller und interessanter Bericht. Sehr schön die alte Straßenbahn und die Tuc Tuc´s

Gruß Papa