Die Nachwirkungen von Portwein

Veröffentlicht am 11. Juni 2024 um 20:19

Bevor wir Porto verließen hatten wir noch die glorreiche Idee einen kostenlosen öffentlichen Badraum, in dem man für wenig Geld duschen konnte zu nutzen. Dieser befand sich auch ziemlich zentral in Porto, dennoch in der Nähe von Parkplätzen an der Straße. Dort kassierten wir dann unser erstes Knöllchen der Reise. Wir hatten ein Schild übersehen, auf dem stand, dass man zwei Stunden umsonst parken durfte, allerdings nur mit Parkuhr. Tatsächlich wollte die Stadt 12 € dafür, dass wir nicht mal eine Stunde dort standen und nur nicht gewusst hatten, dass man die Parkuhr am Automaten aktivieren muss. Das öffentliche Bad war uns dann auch nicht geheuer, da seltsame Gestalten darin verschwanden, scheinbar gar nicht mehr herauskamen und die Frauendusche sogar gänzlich geschlossen war. So zogen wir mit Strafzettel ungeduscht weiter.


Da uns das Portweintasting inspiriert hatte, beschlossen wir unsere Reiseroute zu ändern und anstelle direkt weiter nach Norden, zunächst in das Dourotal zu fahren, in dem die Portweintrauben angebaut werden. Dazu fuhren wir immer gen Osten am Douro entlang ins Inland. Die Landschaft wurde richtig hügelig dort und kostete unseren Bulli ganz schön Nerven. Dennoch war die Panoramastraße am Douro entlang eine der schönsten Straßen in Portugal. Zwischen den vielen Bäumen hindurch erhaschten wir immer wieder mal tolle Blicke auf das Tal und den Fluss. Die Weinberge ließen sich noch nicht blicken, denn diese waren weiter hinten. Das Ziel, dass wir dort eigentlich angepeilt hatten (Pinhao) liegt mitten in der Weingegend und war uns für den aktuellen Tag, noch etwas zu weit zum Fahren. Deshalb beschlossen wir spontan an einem Aussichtspunkt, an dem wir kurz hielten und die Landschaft genossen, einen der nächsten von Park4Night vorgeschlagenen Plätze anzufahren. Wir hatten keinen Zeitdruck und konnten immer noch am nächsten Tag Pinhao erreichen.

Nähe des kleinen Ortes Areja befand sich der kleine Rasenplatz direkt am Douro. Dahinter ging es in den Wald. Ein Schweizer Camper stand bereits hier. Wir parkten etwas weiter hinten und stiegen aus. Kaum ausgestiegen, wurden wir von einem kleinen süßen orange-weißen Hund begrüßt. Neben dem Schweizer Camper standen zwei Näpfe, deshalb dachten wir zunächst der Kleine gehörte dorthin. Kurz darauf stiegen die beiden aus und wir kamen ins Gespräch. Wir erfuhren, dass ihre zwei Hunde im Auto seien. Der Kleine hier lebte wohl hier und bettelte jeden der kam nach Essen an. Er war aber auch total dürr. Sie waren länger als beabsichtigt hier geblieben und hatten ihn vier Tage lang gefüttert. Den total zutraulichen, dennoch schüchternen Hund, der ein portugiesischer Podengo war, hatten Sie Benji getauft. Ohne Frage hätten sie ihn sofort adoptiert, wenn einer ihrer Hunde ihm gegenüber nicht ablehnend gegenüber gestanden hätte. Wir trauten uns inzwischen auch Benji zu streicheln und er ließ es auch zu, schien es sogar zu genießen. Da er erst vor zwei Wochen entfloht und entzeckt worden war (das konnten wir den Park4Night App Kommentaren entnehmen), fühlten wir uns auch etwas wohler dabei. Sie zeigten uns herzzerreißende Bilder wie er am Vortag noch bei Regen draußen gesessen und darauf gewartet hatte, bis sie wieder aus dem Camper kommen. 

Am Abend dachten wir viel nach. Nach unseren Recherchen und Erfahrungen damals in Spanien, als wir auch einen wilden Hund gefunden hatten, war uns beim Gedanken ihn einem Tierarzt oder Tierschützer zu übergeben, nicht wohl. Auch die Schweizer hielten es für die beste Idee ihn entweder hier zu lassen, selbst zu adoptieren oder in der Heimat in gute Hände zu vermitteln. Wir hätten jetzt die Chance dem Kleinen zu helfen, denn wir hatten keinen Hund, der ihn hindern würde mitzufahren. Zudem wir uns sowieso vorgenommen hatten, nach der Reise einen Hund zu adoptieren. Wir recherchierten noch ein wenig, was erforderlich war, um dann mit ihm auch weiterreisen zu können, denn unsere weitere Reise sollte auch nach England gehen. 

Des Weiteren machten wir uns schlau wie die Rasse so tickte. Eins war klar - ein portugiesischer Podengo (Jagdhund) war kein Anfängerhund. Als wir nachts nochmal auf die Toilette gingen, kam er sofort angerannt und schien sich zu freuen uns zu sehen. Dabei zitterte er, als ob er frieren würde. Christoph konnte beobachten, wie er danach wieder in seine Felsspalte am Rande der Wiese kroch und sich dort zum Schlafen einrollte. 

Am nächsten Morgen mussten wir eine Entscheidung treffen - die Schweizer wollten abreisen. Sie hatten angeboten uns Futter für Benji dazulassen, falls wir wegen ihm länger bleiben wollten. Nach dem Frühstück stand die Entscheidung fest - wir konnten es nicht übers Herz bringen den Kleinen hier zurück zu lassen. Wenn er freiwillig mit uns mitkommen würde, dann würden wir mit ihm zum Tierarzt fahren. Die Schweizer freuten sich total, als wir ihnen unsere Entscheidung mitteilten. Sie hatten insgeheim auf jemanden gewartet, der genau das tun würde - sich Benji annehmen. Wir bekamen noch einen Sack Futter, Kauknochen und eine Leine von ihnen geschenkt. Wir bedanken uns an dieser Stelle nochmal herzlich bei den beiden für die Unterstützung! Die Entscheidung fiel uns dadurch wesentlich leichter! Zunächst versuchten wir mit Futter Benji in den Bulli zu locken. Stückchenweise und mit viel Geduld gelang es uns den schreckhaften Hund dazu zu bringen, sich hinten zwischen Küche und Bett auf eine Decke zu legen. 

Erst als die beiden anderen kamen um sich zu verabschieden, sprang er nochmal auf und rannte zu ihnen, um gleich danach wieder stolz und ganz ohne anlocken in seinen Bulli zu liegen. Draußen nieselte es und es schien ihm gefallen dabei auch mal trocken zu bleiben. Auch als die beiden den Motor starteten und davon fuhren, rührte er sich nicht. Am Vortag waren sie auch schon mal weggefahren und erzählten uns, dass er dann die ganze Straße hoch hinterhergerannt sei. Später testeten wir es mit ihm im Wald hinten spazieren zu gehen. Dabei rannte er vor und schaute immer wieder zurück, ob wir auch mitkommen würden. Dabei flitzte er wie wild durch den Wald, zum Teil auch den Hang gen Fluss hinunter und hinauf. Ein flinkes Kerlchen war er und man erkannte sofort den ausgeprägten Jagdtrieb der Rasse. Zurück am Bus, legte er sich wieder wie selbstverständlich mit hinein. Als ein französischer Camper kam bellte er diesen direkt an. Sehr interessant, denn uns und die Schweizer hatte er nicht angebellt. Der Franzose leinte seinen Hund außen an den Camper und der neugierige kleine Benji wollte natürlich hin und hallo sagen. Der Franzose ließ ihn aber nicht und verscheuchte ihn wieder. Als es dann wieder zu regnen anfing versuchten wir, als er wieder drinnen lag, stückweise die Schiebetür zu schließen. Es gelang uns nach ein paar Versuchen und er erschrak nur kurz, da es laut war.  Bei der zweiten Gassirunde wollten wir mal in die andere Richtung gehen (den Berg hoch Richtung Dorf). Benji wollte scheinbar nicht und flitzte in den Wald. Wir gingen erstmal unsere eigene Runde. Auf dem Rückweg kam er uns dann entgegen und beschwerte sich lautstark, dass wir ihn alleine gelassen hatten - so zumindest unser Eindruck. Für die Nacht schufen wir ihm unter dem Bett eine kleine Höhle und legten die Decke hinein. Das verstand er sofort und sprang ohne unser zutun hinein. Die Nacht war friedlich, ruhig und man könnte meinen es wäre alles wie immer.

Am nächsten Morgen stand Benji mit uns zusammen auf, ging draußen seine Morgentoilette verrichten und saß dann während wir frühstückten wieder bei uns unterm Tisch. Er schien den Bulli schon total als sein neues Zuhause akzeptiert zu haben. Der nächste Schritt war ihn an die Leine zu gewöhnen und dann zu einem Tierarzt in der Nähe zu fahren. Leider hatten wir Samstag, den 04.05.24. Das heißt wir hatten die Wahl bis Montag zu warten oder direkt heute zu gehen. Da wir auch langsam weiterfahren wollten entschieden wir uns dazu es direkt zu versuchen. Die Lernfortschritte des Kleinen waren immerhin immens. 

Der Tierarzthelferin der Praxis im Nebenort konnte zum Glück etwas englisch und bat uns einfach gegen 13 Uhr zu kommen. Das Leinentraining musste demnach schnell gehen. Benji wehrte sich überhaupt nicht, als wir ihm die Leine umlegten. Als wir dann draußen so ein paar Schritte mit ihm gingen, war er zwar skeptisch, aber folgte ohne zu ziehen. Das klappte glücklicherweise schon mal. Danach öffneten wir die Fahrertüre und lockten ihn mit dem Trockenfutter in den Fußraum des Beifahrersitzes. Wir mussten ihn nicht lange bitten. Marilyn stieg ebenfalls ein und scheinbar entspannt lag er beim Losfahren im Fußraum. Leider war die kurze Fahrt doch sehr ruckelig, da wir den steilen Berg hoch mussten und weiterhin viele kurvige Straßen hatten. Der Kleine legte sich ständig anders hin, da er scheinbar keinen richtigen Halt fand. Umso besser, dass die Fahrt nur 15 Minuten dauerte. 

Der Ort war zum Glück recht klein und nicht allzu belebt und so kamen wir vom Parkplatz, mit Benji an der Leine, recht gut beim Doktor an. Schwieriger war es ihn in das Gebäude hineinzubekommen. Der Geruch nach Desinfektionsmittel schreckte ihn vermutlich ab. Im Wartebereich saß außer uns niemand und nach nur 5 Minuten wurden wir auch schon aufgerufen. Der Arzt untersuchte den vor Angst erstarrten kleinen Fratz und bestätigte die Rasse, sowie ein Alter von ca. 3-4 Jahren. Er konnte auch keinen Chip finden, d.h. er gehörte offiziell niemandem. Spätestens jetzt war es sicher, dass wir ihn adoptieren würden. Wir erhielten einen offiziellen europäischen Pass für ihn ausgestellt. Zudem wurde Benji (den Namen behielten wir bei) gechipt, entwurmt und gegen Tollwut geimpft. Das sind übrigens auch die Voraussetzungen für die Einreise in England (Pass, Chip, Tollwutimpfung). Lediglich die Entwurmung muss man min. 5 Tage vor Einreise nochmal mittels Wurmtablette wiederholen. Mit 11,7 kg hatte der Kleine zwar etwas Untergewicht, doch es war nicht besorgniserregend. Aufgrund der Rasse, in der auch ein Windhund mit drin steckt, würde er hinten herum immer etwas schmäler bleiben. Abschließend gab uns der nette Doktor noch eine Cortisonsalbe mit, mit der wir die kleinen Wunden behandeln sollten, die er sich zuvor scheinbar beim Flitzen, Jagen oder auch bei Hundekämpfen zugezogen hatte. Der Preis für die Behandlung war mit 114 € sensationell günstig. Jetzt waren wir offiziell stolze Hundebesitzer! 

Danach wollte Benji nur noch zurück zum Bulli. Dieses Mal versuchten wir, ob er sich hinten drin vielleicht wohler fühlen würde beim Fahren. Marilyn setzte sich für die kurze Strecke mit dazu, um sein Verhalten zu beobachten. Er wollte dieses Mal fast nicht einsteigen - Autofahren schien er noch nicht zu mögen. Es schien hinten etwas besser zu sein, doch er rutschte immer noch sehr herum. Die nächste kleine Gassirunde in für ihn fremder Umgebung, klappt dann leider nicht so gut. Er war sehr schreckhaft und verunsichert. Wir fuhren danach einen nahegelegenen Stellplatz an, an dem wir übernachten wollten. Eigentlich ein schöner Fleck mit Wasserfall. Das Getöse machte Benji leider Angst und so beschlossen wir nicht hier zu bleiben. Wir brauchten eine ruhige Umgebung, um ihn an uns zu gewöhnen und um mit ihm zu trainieren. Auf der Weiterfahrt zu einem anderen ruhigen Picknickplatz im Wald, hielten wir kurz am Supermarkt und Christoph besorgte ein Halsband, Hundespielzeug, Hundefutter und eine Hundebürste für ihn. Die restliche Fahrt saß Marilyn weiter mit ihm hinten. Dafür mussten wir noch eine andere Lösung finden, denn wohl fühlte er sich da ganz und gar nicht, abgesehen davon, dass es auch für Marilyn gefährlich war, auf Dauer hinten unangeschnallt auf dem Boden mitzufahren. 

Der Picknickplatz erschien uns optimaler für unser Vorhaben. Wir konnten leider nur recht schräg stehen, das nahmen wir aber gerne in Kauf für unseren kleinen Hund. Dass sich unser Leben aufgrund eines Portweintastings auf einmal so verändern würde, hätten wir nicht gedacht - jetzt bekommen wir die Nachwirkungen von Portwein erst richtig zu spüren!


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Kommentare

Papa
Vor 6 Monate

Hallo ihr zwei. Habe schon darauf gewartet, wann der Bericht mit Benji kommt. Nun, so kommt man auf den Hund!
Schöner Bericht.
Gruß Papa

Marilyn & Christoph
Vor 6 Monate

Vielen lieben Dank ;-) wir konnten es auch kaum erwarten, endlich diesen Beitrag zu schreiben. Leider hängen wir etwas hinterher...