Das Hostel in Lekeitio, in dem wir einquartiert wurden, hätten wir uns selbst nicht ausgesucht. Es hatte sechs Zimmer, verteilt auf drei Stockwerke und einen Frühstücks- / bzw. Gemeinschaftsraum. Die Autowerkstatt hatte es uns jedoch netterweise vermittelt und der Hostelchef, der kein Wort Englisch sprach, nahm uns auf, obwohl er normalerweise keine Hunde erlaubte. Also nahmen wir die Unterkunft dankend an. Zunächst traute sich Benji gar nicht hinein. Erst nach einigem gut Zureden folgte er uns in unser Zimmer, das zum Glück ebenerdig auf kurzem Wege durch den Frühstücksraum erreichbar war. Wir hatten seine Hundedecke mitgenommen, damit er etwas Vertrautes um sich herum hatte. Vermutlich war der Kleine noch nie oder selten in einem Innenraum gewesen, denn er war richtig nervös in dem Zimmer. Wenn wir das Licht im Bad einschalteten, erschrak er jedes Mal. Erst nach einiger Zeit, legte er sich auf seine Decke, die wir auf dem Boden neben dem Bett platziert hatten.
Natürlich starteten wir kurz nach unserer Ankunft direkt eine Erkundungstour in unserer neuen Umgebung. Der Fluss Rio Lea, den wir die Tage zuvor schon entlang gegangen waren, floss durch Lekeitio ins Meer. Bevor wir den Kleinen mit dem Zentrum des Ortes konfrontierten, wollten wir am Fluss entlang Richtung Ugaran laufen, wo wir erst vor ein paar Tagen einen Kaffee getrunken hatten. Leider fanden wir keinen Weg dorthin, denn eine Schnellstraße ohne Seitenstreifen war im Weg. Nur über diese gelangten wir zu einer Brücke, die über den Fluss und gleichzeitig auch zu dem Spazierweg, der daran entlang verläuft, führte. Das war uns mit dem ängstlichen Benji doch zu gefährlich, da es sich um mehrere hundert Meter an der Hauptstraße entlang, handelte. Das bedeutete, dass wir erst den halben Ort durchqueren müssten, um von der anderen Seite über eine andere Brücke zu unserem Weg zu gelangen. Gesagt, getan - wir hatten ja keine andere Wahl. Viele andere Wege gab es hier nicht zum Gassi gehen.
Das Hostel lag am Ortsrand und so liefen wir doch früher als gewollt gen Ortskern. Wie zu erwarten bekam Benji wieder Angst, sobald die Menschen, Geschäfte und schmalen Gehwege, mit Türen daneben die aufgehen konnten, zunahmen. Zusätzlich begleiteten uns dabei die hämmernden Geräusche einer Baustelle, die nicht fern von uns war. Erst als wir in eine enge steile gepflasterte Gasse einbogen, beruhigte er sich langsam, da es dort einsamer war. Der Weg führte weg vom Trubel in einen kleinen Wald, den Hausberg hinauf. Große Kreuze waren immer wieder am Wegesrand aufgestellt worden - insgesamt 15 Stück. Tatsächlich konnten wir sogar beim Aufsteigen noch, wenn auch etwas leiser, das Hämmern der Baustelle hören. Nach 160 Höhenmetern kamen wir, die letzten Meter über einen kleinen Bergwanderweg, oben an. Der Umweg hatte sich gelohnt - wir blickten auf Lekeitio hinunter. Eine Insel, die über eine schmalen Weg erreichbar war, lag direkt vor Lekeitio im Meer. Von einem großen Sandstrand aus konnte man den Weg begehen. Daneben blickte man auf den Ort und auf den Hafen. Eine Tafel verriet etwas über die Geschichte des kleinen Ortes. So lernten wir auch, dass die Insel nur bei Ebbe erreichbar war und dass auf der Insel die Ruine eines ehemaliges Kloster stand. Weiter führte der Weg querfeldein durch den Wald, wieder den Berg auf der anderen Seite hinunter. Dort war die heiß ersehnte Brücke die wir gesucht hatten und die zur anderen Flussseite führte. Man hätte auch den Berg umgehen und durch den Ort gehen können, um hier her zu gelangen. Wir hatten dies aber absichtlich vermieden, um den Kleinen erstmal etwas zu schonen. Zudem hatten wir schließlich Zeit, den längeren Weg zu gehen.
Nach der Brücke ging es nach unten zum Fluss und ab hier wurde der Weg nochmal richtig schön. Es ging meist im Wald am Fluss entlang, zum Teil auch mal etwas bergauf und bergab. Einige Wracks alter Holzboote lagen in ausgetrockneten Bereichen des Flusses und gaben der Landschaft etwas Mystisches. Weiter ging es vorbei an einem Arsenal an ausrangierten Booten, dieses Mal noch intakt und aus Metall. Alle waren zudem bunt bemalt und durchnummeriert. Außer uns waren nur wenige Menschen auf dem Weg unterwegs. Für Benji war das Gebiet ein Traum - er durfte frei springen und schnüffelte wie verrückt überall herum. Seine Pfoten machte er dabei total schmutzig, da er scheinbar durch den Schlamm stapfte. Nach einiger Zeit kamen wir an der Brücke heraus, über die wir ursprünglich direkt vom Hostel aus gehen wollten. Wir hatten 60 Minuten hier her gebraucht. Der direkte Weg wäre in 10 Minuten fußläufig erreichbar gewesen - wenn die Schnellstraße nicht wäre. Da wir den ganzen Weg auch wieder zurücklaufen mussten, gingen wir nur eine kurze Strecke den Fluss entlang und nicht wie geplant bis zu dem Kaffee. Auf dem Rückweg ließen wir den Hausberg aus und gingen doch durch den Ort. Dabei kamen wir zunächst am Strand vorbei. Dort, sowie auch am Stadtpark darüber, prangte ein großes Hundeverbotsschild. Dennoch sahen wir einige Gassigeher im Park. Wir beschlossen deshalb durchzugehen, statt an der stark befahrenen Straße darüber entlang zu laufen. Wie schon so oft fiel uns auf, dass die verhängten Verbote die Spanier wenig interessierte. So schnell passt man sich an...
Natürlich entfernten wir Benjis Hinterlassenschaften säuberlich, denn alles schauen wir uns auch nicht ab.
Danach ging es über einen etwas belebteren Platz, auf dem eine der schönsten Kirchen Spaniens - Andre Mariaren Jasokundearen eliza - stehen soll. Die Kirche war geschlossen und so nahmen wir zumindest Bilder von außen auf. Zurück durch enge Gassen liefen wir danach wieder zum Hostel. Der arme Benji hatte wieder Angst und wir schafften es nicht sie ihm zu nehmen. Leider mussten wir ihn an das Umfeld hier gewöhnen, denn ab sofort waren wir dazu gezwungen abends im Ort Essen zu gehen, denn wir hatten ja keinen Bulli mehr...
Zurück im Hostel erholten wir uns zunächst etwas. Der Stress, den Benji verspürte, färbte auf uns ab. Oder andersherum?
Dabei merkten wir, dass das Zimmer total hellhörig war. Sobald jemand neu ankam und den Gemeinschaftsraum betrat, konnten wir deutlich hören was gesprochen wurde (wir verstanden dabei kein Wort). Dabei drang die prägnante Stimme des Hostelchefs, auf die Benji allergisch zu reagieren schien, immer wieder zu uns durch. Etwas an dem Mann veranlasste ihn immer wieder in Panik zu verfallen. Vielleicht erinnerte er ihn an seinen Vorbesitzer? Wir konnten nur mutmaßen. Auch bei jedem Fußgänger, der draußen am Fenster vorbeiging, schrak der Kleine auf. Dass es sich um eine Hauptverkehrsstraße des Ortes handelte, machte es auch nicht besser. Zum Glück blieb es bei einem gelegentlichen Knurren seinerseits. Mit einem dauerhaft bellenden Hund hätten, wir sicherlich irgendwann Probleme mit den Nachbarn bekommen.
Am Abend gingen wir dann erstmals mit Benji essen. Nach einigem Suchen fanden wir ein Lokal das uns zusagte, in dem wenig los war und in das auch Hunde mit hinein durften. Benji stand unter dem Tisch, während wir aßen und setzte sich nach einer Weile sogar hin. Bei einer volleren Location hätte das sicher nicht so gut funktioniert. Dafür machten wir leider einen Abstrich bei der Qualität unseres Essens.
Die erste Nacht im Hostel verlief, bis auf ein kurzes Bellen von Benji mitten in der Nacht, ganz ruhig. Vermutlich war ein Gast nach Hause gekommen und die Geräusche hatten ihn erschreckt.
Unsere Nächte im Hostel waren kurz - pünktlich um 06:30 Uhr kam jeden Morgen der Hostelchef um Frühstück zu machen. Gegen 08:00 Uhr kamen dann die ersten Gäste und dementsprechend laut war es. An Schlafen war dann nicht mehr zu denken. Das wiederholte sich jeden Morgen.
Bei unserem ersten Frühstück ließen wir Benji die Wahl, ob er im Zimmer sitzen bleiben oder mitkommen wollte. Der Hostelchef duldete es sogar, dass er bei uns unterm Tisch saß. Die Kommunikation mit ihm lief nur über Zeichensprache oder mittels Übersetzungsapp. Benji traute sich erst aus dem Zimmer heraus, als der temperamentvolle Baske endlich weg war. Am Folgetag versuchte dieser ihn mit Serranoschinken zu bestechen - wohlgemerkt ohne uns zuvor zu fragen. Benji fraß den Schinken gerne, mochte den Chef danach aber dennoch nicht - die Körpersprache war eindeutig. Trotzdem setzte er sich dann zu uns und akzeptierte die Anwesenheit des Basken. Etwas unwohl war uns schon danach, denn rohes Schweinefleisch kann gefährlich werden für Hunde. Nach etwas Recherche beruhigten wir uns wieder, denn Serranoschinken war wohl nicht ganz so gefährlich, wie wenn er rohe Schweinefleischbrocken bekommen hätte. Unsere Zimmertür, die direkt hinter uns lag, hatten wir offen gelassen. Benji sprang zwischendurch einmal aufs Bett und das ausgerechnet, als Cheffe vorbeilief. Natürlich gefiel ihm das gar nicht und kurz darauf kam er mit alten Leintüchern zurück, die wir auf die Betten legen sollten. Etwas übergriffig fanden wir auch, als er uns einmal per Übersetzungsapp mitteilte, dass er glaube der Hund müsse raus. Als wenn wir das nicht selber wüssten, wie oft wir mit unserem Hund Gassi gehen mussten. Da schien jemand Angst um sein Zimmer zu haben.
Zum Frühstück bekamen wir jeden Tag das selbe - ein Baguette, Serranoschinken, Käse, Marmelade, Butter und zwei süße Teilchen aus einer einheimischen Bäckerei. Es war alles sehr lecker, nach ein paar Tagen aber etwas eintönig. Jeden Morgen saßen wir mit anderen Menschen zusammen am Tisch und Benji gewann einige Fans. Eine Frau war ganz vernarrt in ihn und durfte ihn sogar längere Zeit streicheln - das war neu.
Als der Chef eines Morgens einen Gast, während wir frühstückten, verabschiedete, ließ er danach die Tür offen stehen. Wir konnten gar nicht so schnell schauen, wie Benji türmte. Schnell sprang Christoph ihm hinterher. Der Kleine rannte direkt auf der Hauptstraße herum. Marilyn starb währenddessen tausend Tode und der Chef schaute nur zur Tür hinaus und sagte so etwas wie "wie schlecht".
Zum Glück packte Benji ein dringendes Bedürfnis und Christoph konnte ihn währenddessen mit Hilfe seines Gürtels als Behelfsleine einfangen. Irgendwie glauben wir er hatte das absichtlich getan. Er hatte aber auch so gar kein Gefühl für Tiere. Alleine wie er immer versuchte Benji zu begrüßen und ihn anzufassen - kein Wunder, dass der Kleine ihn nicht mochte und immer zurückschreckte. Das war schon der zweite Mordanschlag auf Benji seitens des Hostelchefs gewesen... langsam hatten wir keine Lust mehr auf diesen "Zwangsurlaub". Als dann nach der zweiten Nacht im Hostel, am Mittwoch, auch noch die Werkstatt anrief und uns mitteilte, dass wir eine Nacht verlängern müssten, da sie erst Donnerstag fertig werden würden, waren wir noch genervter. Unsere kleine Rache bekamen wir, als wir einmal am Abend beim Döner bestellten, da wir Benjis Nerven schonen wollten. Diesen genossen wir dann im Frühstücksraum und hinterließen wohl einen hübschen Knoblauchduft. Etwas später fanden wir einen angeschalteten Raumerfrischer vor, der eindeutig unseren Erfolg belegte.
Die Tage verbrachten wir immer draußen. Entweder gingen wir unsere Runde am Fluss entlang oder erkundeten die Wege direkt neben dem Hostel, die allerdings entweder in einer Sackgasse mit toller Aussicht endeten oder an einer befahrenen Straße entlanggingen.
Unser Versuch bei Ebbe über den schmalen Weg zur Insel zu gelangen scheiterte ebenfalls, da uns die diensthabende Rettungsschwimmerin zurückpfiff, kaum dass wir den Strand betreten hatten. Sie machte uns darauf aufmerksam, dass sowohl am Strand als auch auf der Insel Hunde verboten seien. Die Insel besuchen oder das gute Wetter zum Baden nutzen war also auch nicht drin... ein wundervoller Urlaub - oder nicht?
Also blieb uns nur übrig, jeden Tag die selbe Runde spazieren zu gehen. Wenigstens am Abend konnten wir mit den Restaurants etwas variieren. Viele Locations erlaubten Hunde - das hätten wir bei dem sonst so hundefeindlichen Ort gar nicht gedacht - und so landeten wir an unserem letzten Abend in einem hervorragenden Fischrestaurant. Es war schon etwas später und dementsprechend weniger los. Die nette Kellnerin lockte Benji mit gekochtem Schinken herein (auch sie fragte uns nicht ob sie es dürfe...). In diesem Fall war es aber ganz gut, denn ohne dieses Lockmittel, hätte er sich nicht durch den schmalen Eingang hinein getraut. Sobald er drinnen war, ging es dann ganz gut. Die Bestechung war geglückt und er zuckte kaum noch vor der Kellnerin zurück. Wir aßen einen tollen Haussalat mit Avocado, Serranoschinken, Garnelen, grünem Salat, und einem tollem Dressing. Das Highlight war der Seeteufel, den wir uns zusammen als Hauptgang bestellten. Es war das erste Mal im Leben, dass wir diesen Fisch aßen. Erst waren wir skeptisch ob er uns schmecken würde. Trotz der seltsamen Optik des Fisches bereuten wir nichts - zusammen mit den Kartoffeln und dem wenigen Gemüse, das aber hervorragend gewürzt war, war es ein wahrer Genuss. Zum Nachtisch gönnten wir uns noch einen hausgemachten Käsekuchen, einen Eiskaffee mit Whiskey und den landestypischen Navarra Likör. Alles war sehr lecker und es war ein entspannter Abend. Wir empfehlen deshalb wärmstens das Restaurant Erkiaga Taberna weiter.
Nach endlosen drei Tagen Zwangsurlaub konnten wir endlich zurück zu unserem Bulli. Der Hostelchef teilte uns mit, dass die Werkstatt uns abholen würde. Er verabschiedete sich total überfreundlich von uns, schien aber insgeheim froh zu sein, uns los zu sein. Der junge Mechaniker der Autowerkstatt kam in seinem schicken roten Flitzer angefahren. Die Fahrt glich der des Taxifahrers beim Hinweg. Während Marilyn mit Benji nochmal zu den Eseln hinunter ging (der Kleine freute sich sichtlich wieder in der bekannten Gegend zu sein), diskutierte Christoph mit dem Werkstatt Chef, ein kleiner Spanier, die Werkstattrechnung. Tatsächlich versuchte man uns, für eine neue Kupplung 2000 € abzuknüpfen, die man in Deutschland sogar für 1300 € bekommen hätte. Die Begründung war, dass das Kupplungsset nicht günstiger beschafft werden konnte - 1000 € kostete es laut Werkstatt. Inzwischen hatte die Werkstatt sogar einen deutschen Übersetzer auftreiben können, der nun am Telefon mit Christoph und dem spanischen Chef sprach. Immerhin konnten wir erwirken, dass wir 200 € Nachlass bekamen, ganz zum Unmut des kleinen Spaniers, der nochmal betonte, dass normal keiner bei ihm Rabatt bekäme.
Es war immer noch eine Menge Geld, dass wir natürlich nicht ins Budget einkalkuliert hatten, jedoch waren wir überglücklich wieder in unserem vertrauten Zuhause zu sein. Jetzt konnte die wilde Fahrt weitergehen...
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