In "Kleinschottland"

Veröffentlicht am 11. November 2024 um 22:20

Am Morgen nachdem der Nachthimmel leuchtete, mussten wir erstmal ausschlafen. Zu spät waren wir durch das Beobachten des Naturspektakels ins Bett gegangen. Beim Frühstück bekamen wir einen Nachbarn, der sein Auto neben uns parkte. Der nette Engländer erzählte uns, dass er für eine Nacht zum Zelten in die Berge gehen würde. Er hatte zuhause selbst einen Hund und sprach Benji freundlich an. Dieser ging auch direkt zu ihm, war total zutraulich und deutete an mit ihm spielen zu wollen. Das hatten wir bislang noch nicht erlebt. Dann machte er sich mit einem riesigen Rucksack auf den Weg. Das würde sicher eine kalte Nacht für ihn werden.

Auch wir machten uns fertig. Es war schönstes sonniges Wetter, jedoch sehr kühl. Christoph wollte sein Goldschürfglück in dem Fluss, der direkt neben unserem Stellplatz vorbeifloss, versuchen und Marilyn hatte vor eine kleine Wanderung mit Benji zum Bergsee Hayeswater zu machen. Wir gingen das erste Stück durch die Schafweide zusammen und dann trennten uns unsere Wege. Die kleine Runde die Marilyn ging, führte zwei Kilometer den Berg hinauf. Der Weg führte immer an einem Fluss entlang, in dem viele kleine Wasserfälle ihren Weg den Berg hinunter fanden. Dabei passierte sie zusammen mit Benji immer wieder freilaufende Schafe und musste aufpassen, dass sie mit dem Kleinen nicht so nah heranging. Dieser wurde wieder ziemlich von den Tieren getriggert und hörte an der langen Leine mal besser und mal schlechter, je nachdem ob sie gerade ein Schaf passierten.  Nur wenige Wanderer waren unterwegs und als Marilyn am See ankam war sie völlig alleine. 

Auf dem Rückweg sammelten die beiden Christoph wieder ein, der inzwischen ziemlich kalte Füße bekommen hatte. Das lange Stehen im Fluss, ging eben nicht spurlos an einem vorüber. Gold hatte er leider keines gefunden und beschloss es auch bei diesem einen Versuch zu belassen. Er wusste ja nicht mal, ob es hier schon mal Goldfunde gegeben hatte. Die Chance war zwar in jedem Fluss gegeben, aber wahrscheinlich dort höher, wo man von Goldfunden wusste. Mit einer heißen Tasse Tee tauten wir zurück am Bulli, erstmal auf. Auch in dieser Nacht hatten wir nur um die ein Grad Celcius. Nach Polarlichtern hielten wir dieses Mal keine Ausschau mehr.

Am nächsten Morgen war unser Nachbar, als wir gegen 10 Uhr aufstanden, bereits wieder weg. Er musste früh von seiner Bergtour zurückgekommen sein. Wahrscheinlich war es ihm in der Nacht zu kalt gewesen und er war deswegen mit den ersten Sonnenstrahlen aufgebrochen. Wir hatten leider länger geschlafen als beabsichtigt und fuhren deshalb noch vor dem Frühstück zum Wanderparkplatz am Kirkstone Pass, der nur fünf Minuten entfernt von uns lag. Für den heutigen Tag war eine Wanderung auf den Berg Red Screes geplant und wir hatten etwas Sorge, dass der Wanderparkplatz voll sein könnte. Zu oft hatten wir das nun schon in Schottland erlebt und das tolle Wetter lud auch noch dazu ein. Unser Weg dorthin führte inmitten der grünen Landschaft die interessante Passstraße des Kirkstone Passes hinauf. Unsere Sorge war jedoch unbegründet, denn oben angekommen sahen wir, dass der Parkplatz relativ leer war. Eine Baustelle war im hinteren Bereich des Parkplatzes aufgebaut worden und die Arbeiter waren gerade dabei ein Rohr zu verlegen. Aufgrund unserer Länge versperrten wir einen Teil des Bauzauns und fragten deshalb höflich, ob es den Männern etwas ausmachte. Es war in Ordnung und so hatten wir einen super Parkplatz und konnten unser Frühstück mit Blick auf das Tal und einen großen See nachholen. 

Auch als wir unsere Wanderung starteten, blieb der Parkplatz leer. Unsere Tour führte uns zunächst über etliche Steinstufen steil den Berg hinauf. Auf 1,5 Kilometer machten wir 200 Höhenmeter und das ist definitiv ziemlich steil. Nach einiger Zeit mussten wir fast schon klettern, denn die Abstände zwischen den Felsbrocken wurden immer größer. Benji sprang wie eine Bergziege scheinbar mühelos die Steine nach oben. Am Gipfel des Red Screes markierte ein Steinhaufen und ein kleiner Turm den höchsten Punkt. Bei einem 360 Grad Blick über die tolle Berglandschaft des Lake Distriks, genossen wir die Aussicht und aßen eine Kleinigkeit. Tatsächlich erinnerte uns das Bergpanorama hier stark an Schottland. Wir fanden heraus, dass man den Lake Distrikt deshalb auch liebevoll "Kleinschottland" nennt. Das passte sehr gut und gefiel uns als Schottland Fans natürlich.

Weiter ging es auf einem relativ breiten Grat entlang. Danach verlor sich der Wanderpfad immer mehr auf der weiten Wiese über die wir gingen. Manchmal mussten wir raten wo genau es lang ging und Komoot zur Rate ziehen. Inzwischen kamen wir auch öfter an Schafen und Bergziegen vorbei, die alle schnell reißaus nahmen, als sie uns und Benji kommen sahen. Neugierig waren sie allerdings trotzdem, denn sobald wir an ihnen vorbei waren, schauten sie uns neugierig hinterher. Der Kleine war natürlich wieder in bester Ziehlaune, denn Schafe konnte man schließlich jagen. Dabei vergas er nur dauernd die Leine an der er hing. Jetzt begannen auch wieder die bekannten rund 1,40 m hohen Steinmauern, die es so oft in Irland und Schottland gibt und die das Vieh in einem Areal halten sollten. Leider verfehlten wir einmal eine Leiter, die über eine dieser Mauern führte und merkten plötzlich, dass wir nicht mehr weiterkamen, da unser Wanderweg von den aufgeschichteten Steinen versperrt war. Als wir uns umdrehten und zwei weitere Wanderer erblickten, erkannten wir, dass wir den Ausweg aus dem eingemauerten Areal verpasst hatten. Alles zurück gehen wollten wir auch nicht und so kletterten wir kurzerhand an einer geeigneten Stelle einfach über die instabile Mauer drüber. Die obersten Steine bewegten sich dabei leicht, aber die Mauer hielt glücklicherweise. Benji hoben wir einfach drüber und schon standen wir wieder auf einem erkennbaren Wanderpfad. Dieser führte zwischen zwei weiteren Mauern entlang, bis zu einer Straße. Auf dieser mussten wir ein Stück entlanggehen, um weiter zu kommen. Dann mündete endlich wieder ein Wanderweg ins Tal hinein. Hier war der Wendepunkt des Rundweges, den wir gingen und bei der Durchquerung des Tals führte uns der Weg sogar an einer Schaffarm vorbei. Ziemlich viele Schafe verschiedenster Färbungen standen auf dem Hof des eingezäunten Bereichs und sogar Lämmer waren mit dabei. Kurz darauf mussten wir sogar eine Wiese mit Hochlandrindern überqueren. Ohne Zaun dazwischen war es nochmal etwas ganz anderes, den Tieren zu begegnen. Im Pollock Country Park in Glasgow hatten wir die Hochlandrinder zwar streicheln können, jedoch saßen diese dabei hinter einem Zaun und waren Menschen gewöhnt. Die Tiere schauten als wir vorbeigingen zwar interessiert, blieben aber ruhig liegen und ließen auch Benji ohne mit der Wimper zu zucken passieren. Einen Versuch sie anzufassen unternahmen wir allerdings nicht. Das war uns hier, wo die Tiere es vermutlich nicht so gewohnt waren, etwas zu riskant. 

Der restliche Weg führte auf der anderen Seite des Tals zurück, vorbei an Wohnhäusern und über weitere Schafweiden. Eine Weide sah total verwahrlost aus und löste ein leichtes Gruseln in uns aus. Es begann mit dem Skelett eines Schafes, das plötzlich neben unserem Weg lag. Daneben befanden sich noch seine Wollreste. Dann folgte am Rande unseres Wanderweges ein alter und kaputter Wohnwagen, sowie ein zerstörter Wohnwagen und direkt daneben die Ruine einer Steinhütte. Gegenüber befanden sich Vorrichtungen zum Schafe scheren und der Boden dort war noch voller Wolle. Einige Schafe standen auch noch verlassen auf den Weiden daneben herum. Die Tore an beiden Enden der Schafweide standen allerdings offen. Hinter dem letzten offenen Tor standen zwei Eimer im Fluss und es gab keine Spur von einem dazugehörigen Menschen. Was war hier wohl geschehen? 

Der Endspurt ging über die steile Passstraße wieder nach oben, da es keinen Wanderweg für die letzten paar hundert Meter mehr gab. Es fuhren dort jedoch nicht allzu viele Autos und die wenigen die kamen, sahen uns rechtzeitig. Nach 10 Kilometern, 600 Höhenmetern und 4,5 Stunden waren wir wieder am Bulli. Wir waren richtig schnell gewesen und Benji schien auch noch relativ fit zu sein. Diese richtig tolle Wanderung möchten wir euch gerne weiterempfehlen --> Link zur Komoottour.

Gerne wären wir den Kirkstone Pass weiter heruntergefahren, denn diese Strecke wäre deutlich kürzer gewesen, um weiter nach Süden vorzudringen und mit Sicherheit auch nochmal sehr schön. Da allerdings ein Schild mit einer Maximalbreite von zwei Metern für die nachfolgende Straße aufgestellt worden war, ließen wir es lieber sein. Mit unseren 2,05 Meter waren wir nur knapp drüber und wenn es tatsächlich eine Stelle gab, an der die zwei Meter knapp bemessen waren, würden wir vielleicht noch steckenbleiben. So fuhren wir lieber den Pass zurück gen Penrith, wo wir vor vier Tagen unsere Reise im Lake Distrikt mit einem Einkauf gestartet hatten. Dort angekommen gönnten wir uns im Pub des "The Crown" Hotels noch ein Abendessen und durften dafür umsonst im Hof über Nacht stehen bleiben. Die Einrichtung war uralt und das Gefühl, an den Einheimischen, die an der Bar saßen, ihr Bier tranken und Karten spielten, vorbeizugehen, etwas seltsam. Im Speiseraum saßen wir fast alleine und wurden nett von zwei thailändischen Frauen bedient. 

Es gab englisches und thailändisches Essen und da wir in den Park4Night Kommentaren gelesen hatten, dass das Thai Essen sehr gut wäre, versuchten wir es. Es war tatsächlich richtig lecker. Nur der Sticky Toffee Pudding, den wir als Nachtisch bestellten (der natürlich wieder typisch englisch war), wollte uns nicht so recht schmecken. Man merkte definitiv, dass hier echte Thailänderinnen am Werk waren. Wie wir später beim Bezahlen erfuhren, ist die thailändische Köchin die Frau des Hoteliers. Kein Wunder, dass dieser uns zu Beginn zunächst nur die thailändische Speisekarte gegeben hatte und erst dann fragte, ob wir das englische Menü ebenfalls sehen wollten.

Am nächsten Morgen war es soweit - wir beschlossen in den Süden zu fliehen. Inzwischen war es so kalt geworden, dass wir uns nach Wärme sehnten. Kurzerhand buchten wir den Eurotunnel für eine Überfahrt nach Calais in zwei Tagen. Da die Buchung erst für den Abend war, hatten wir demnach noch drei Tage Zeit dort anzukommen und konnten deshalb gemütlich die Mitte Englands durchqueren. 


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